Die Weberei

Die Werkstatt für Weberei war von Anfang an die Domäne der Frauen. Schon seit dem "Jugendstil" galt das kunsthandwerkliche Weben als ein besonders für Frauen geeigneter Beruf, aber die Verknüpfungen zwischen Weiblichkeit und Textilien gehen viel weiter zurück. Einige der ans Bauhaus kommenden Frauen wählten die Weberei bewußt als Berufsziel, die Mehrheit aber wurde vom Meisterrat bevorzugt in die Weberei geschickt, "um unnötige Experimente zu vermeiden" und die wenigen Werkstättenplätze für angeblich besser geeignete Männer zu reservieren. In der Weimarer Zeit des Bauhauses gelang nur besonders begabten oder besonders hartnäckigen Frauen der Sprung in eine andere Werkstatt.

Anfänglich bot die handwerkliche Leiterin Helene Börner alle kunsthandwerklichen Arbeitstechniken an, aber bald lag der Schwerpunkt auf der Technik, die die besten Voraussetzungen zur Ankoppelung an das Bauhausprogramm bot, der Weberei. Hier konnte "Versuchsarbeit" für industrielle Fertigung geleistet werden. Die Produktpalette umfaßte unter anderem Kissen, Decken und Kleiderstoffe, aber auch Knüpfteppiche, Gobelins und Wandbehänge. Zur Ausstattung in Weimar gehörte auch ein Jacquardwebstuhl.

Die wichtigsten Anregungen für Muster und Farbgestaltung lernten die Schülerinnen im Unterricht von Johannes Itten, Georg Muche und später von Paul Klee. Obwohl "Funktion" auch in der Weberei zu den oft beschworenen Worten gehörte, blieb doch lange eine starke ästhetische Orientierung spürbar, die der geforderten Nutzfunktion im Wege stand: Kontraste zwischen dicken und dünnen, zwischen matten und glänzenden Fäden waren oft ästhetisch bedingt und beim Gebrauch eher hinderlich.

 

Ruth Hollós-Consemüller, Gobelin
Ruth Hollós-Consemüller, Gobelin, um 1926, Wolle, Baumwolle

 

1927 übernahm Guita Stölzl als "Jungmeisterin" die Leitung der Werkstatt, wenn auch mit weniger Rechten als ihre männlichen Kollegen. Sie richtete nicht nur die Werkstatt in Dessau völlig neu ein, sondern erarbeitete auch einen achtsemestrigen Ausbildungsgang, der mit einem Lehrvertrag begann und mit einer Gesellenprüfung - ab 1929 mit dem Diplom - abgeschlossen werden konnte.

Die Werkstatt experimentierte jetzt auch mit synthetischen Fasern wie Cellophan, aber auch mit Kunstseide, die damals den gesamten Textilmarkt revolutionierte. Für die Stahlrohrstühle wurde das robuste Eisengarn entwickelt.

Nach Stölzls Ausscheiden 1931 setzten Lilly Reich und Otti Berger neue Akzente. In den letzten beiden Jahren des Bauhauses wurden drei Textilalben (in der Größe der Tapetenbücher) herausgebracht. Da diese Lizenzproduktionen 1933 eingestellt wurden, blieb ihnen jedoch die Popularität der Bauhaustapeten versagt. Die Einfachheit und fast anspruchslose Schlichtheit dieser Textilien sticht stark von vielen früheren Stoffen ab.

 

 

Kitty Fischer-van der Mijll-Dekker
Kitty Fischer-van der Mijll-Dekker, Entwurf für eine wollene Decke, 1932, deckfarben auf kariertem Papier

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