1918-33

[Plakat: Max Pechstein "Erwürgt nicht die junge Freiheit", 1918]

[Postkarte: Revolution, 1918]

[Zeitung: "Der Kaiser hat abgedankt", 1918]

[Photo: Ausrufung der Republik durch Scheidemann, 1918]

[Photo: Karl Liebknechts letzte Ansprache in der Siegesallee, 1919]

[Plakat: Hinein in die KPD, 1919]

[Plakat: Gegen Bolschewismus, um 1919]

[Postkarte: Spartakisten hinter Barrikaden, 1919]

[Postkarte: Regierungstruppen hinter Barrikaden, 1919]

[Abzeichen: Freikorps "Oven", 1919]



























Die Revolution von 1918/19


Ende September 1918 war auch der deutschen Obersten Heeresleitung (OHL) klar, daß der Erste Weltkrieg verloren war. General Erich Ludendorff forderte einen sofortigen Waffenstillstand, verbunden mit der Parlamentarisierung, denn die Entente war nur bereit, mit demokratisch legitimierten Politikern zu verhandeln. Die Bildung einer parlamentarischen Reichsregierung unter Prinz Max von Baden kam aber zu spät. Die Dynamik der innenpolitischen Verhältnisse ließ sich damit nicht aufhalten. Rohstoffmangel, Lebensmittelknappheit und soziale Mißstände sowie die große Anzahl von Toten und Versehrten hatten die kriegsmüden Massen verbittert. Das Ende der Monarchie und des Kaiserreichs rief in der entkräfteten Bevölkerung kaum noch öffentliches Interesse hervor. Erst als die Revolution Ende Dezember 1918 in eine radikale Phase überging, überwog die Angst vor Bolschewismus und politischer Anarchie gegenüber ökonomischen Existenzsorgen.

Am 29. Oktober 1918 verweigerten Matrosen der Hochseeflotte in Kiel und Wilhelmshaven den Gehorsam, um ihr Leben bei einem letzten "ehrenvollen" Gefecht gegen britische Verbände nicht aufs Spiel zu setzen. Wie ein Flächenbrand weitete sich der Matrosenaufstand innerhalb weniger Tage über Deutschland aus. Bis zum 10. November bildeten sich praktisch in allen größeren deutschen Städten ohne nennenswerten Widerstand revolutionäre Arbeiter- und Soldatenräte, welche die städtische Verwaltung übernahmen. Zunehmend verlagerte sich dabei die Initiative zur Revolte von den Soldaten und Matrosen auf die Arbeiterschaft. Nunmehr stellten die Aufständischen über das Militärische hinausgehend politische Forderungen. Der Ruf nach Abdankung des Kaisers und nach Umwandlung des Deutschen Reichs in eine demokratische Republik wurde lauter.

Ein Zentrum der Rätebewegung war München. Kurt Eisner, 1917 einer der Mitbegründer der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD), rief am 7. November den ”Freistaat Bayern” aus. In dem am folgenden Tag gebildeten provisorischen Nationalrat wurde Eisner bayerischer Ministerpräsident. Die Übernahme der Macht durch revolutionäre Räte vollzog sich auch in Bayern ohne Gegenwehr des dynastischen Herrschers König Ludwig III. (1845-1921), der resignierend abdankte.

Am Morgen des 9. November erreichte die Revolution die Reichshauptstadt. Aufgerufen von Revolutionären Obleuten, zumeist dem linken Flügel der USPD nahestehende Vertrauensleute in den Betrieben, traten die Berliner Arbeiter in den Ausstand. Zu Hunderttausenden formierten sie sich zu gewaltigen Demonstrationszügen durch das Zentrum. Ihnen schlossen sich die Soldaten der drei Jägerbataillone an, die zu diesem Zeitpunkt als einzige Truppen in Berlin stationiert waren. Auf Flugblättern bekundeten die Demonstranten ultimativ ihren Willen zum Bruch mit dem monarchischen Obrigkeitsstaat und zu einer umfassenden Neugestaltung der politischen Verhältnisse.

Durch die Nachricht, daß auch die als besonders kaisertreu geltenden Naumburger Jäger zu den Aufständischen übergegangen seien, gelangte Reichskanzler Max von Baden zu der Einsicht, es gäbe zu der Abdankung des Kaisers keine Alternative. Da der im Großen Hauptquartier im belgischen Spa weilende Kaiser Wilhelm II. trotz des Drängens von Badens nicht bereit war, dem Thron zu entsagen, erklärte von Baden zur Beruhigung der revoltierenden Massen schließlich eigenmächtig den Thronverzicht des Monarchen. Obwohl die Ernennung der Reichsregierung allein dem Kaiser zustand, übergab von Baden in einem verfassungswidrigen Akt dem Parteivorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Friedrich Ebert, das von diesem geforderte Amt des Reichskanzlers.

Ziel der sozialdemokratischen Führung war es, sich an die Spitze der revolutionären Bewegung zu stellen. Durch Regierungsumbildungen sollte diese aufgefangen und Blutvergießen verhindert werden. Unter allen Umständen wollte Ebert vermeiden, daß der bislang nahezu unblutig verlaufende Umsturz ähnlich der russischen Oktoberrevolution zu einem Bürgerkrieg ausartete. Einer demokratisch zu wählenden Nationalversammlung sollte die Entscheidung über die zukünftige Staatsform des Deutschen Reichs vorbehalten bleiben.

Zutiefst empört zeigte sich Ebert daher, als sein Parteifreund Philipp Scheidemann ohne Rücksprache um 14 Uhr von einem Fenster des Reichstags die Republik ausrief. Mit diesem symbolischen Akt sollte demonstrativ mit dem alten Regime gebrochen und die wachsende revolutionäre Stimmung der Massen beruhigt werden. Zudem beabsichtigte Scheidemann der Ausrufung der "freien sozialistischen Republik Deutschland" durch Karl Liebknecht um 16 Uhr vom Balkon des Berliner Schlosses zuvorzukommen.

Die doppelte Ausrufung der Republik verdeutlichte die zunehmende Polarisierung der Revolutionsbewegung. In der zweiten Novemberwoche 1918 war die Ausgangslage in Deutschland von einem labilen Gleichgewicht zwischen drei um die Macht konkurrierenden Gruppierungen gekennzeichnet. Neben den Überresten der alten staatlichen Gewalten, Armee und Verwaltung, standen die gemäßigten Kräfte der aus Sozialdemokratie, Zentrum und Linksliberalen bestehenden Reichstagsmehrheit. Sie traten für die Bildung eines modernen demokratischen Staatswesens bei grundsätzlicher Beibehaltung der bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Strukturen ein. Hinzu kam die heterogene Sammlung linskrevolutionärer Gruppen, allen voran der Spartakusbund unter Führung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, die unter Berufung auf die russische Oktoberrevolution den Parlamentarismus grundsätzlich ablehnten. In ihrem Zentralorgan "Die Rote Fahne" riefen Luxemburg und Liebknecht unermüdlich zur Bildung einer sozialistischen Räterepublik auf.

Dieser Machtkampf entschied sich schon in den ersten Tagen der Revolution zugunsten des Parlamentarismus. Am 10. November bildeten SPD und USPD auf paritätischer Grundlage den Rat der Volksbeauftragten unter gleichberechtigtem Vorsitz von Ebert und Hugo Haase. Von der SPD gehörten ihm Scheidemann und Otto Landsberg an, von der USPD Emil Barth sowie Wilhelm Dittmann. Der Rat der Volksbeauftragten stellte die tatsächliche Staatsspitze dar und stieß auf keinen ernsthaften Widerstand. Die Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte bestätigte am 10. November die provisorische Regierung. Zur Kontrolle der Volksbeauftragten bildeten sie allerdings einen Vollzugsrat.

Ebenfalls am 10. November gab General Wilhelm Groener im Namen der OHL eine Loyalitätserklärung gegenüber der neuen Regierung ab und sicherte ihr militärische Unterstützung im Fall linksradikaler Angriffe zu. Im Gegenzug garantierte Ebert die Autonomie der militärischen Führung. Mit dem Ebert-Groener-Pakt stellte sich mit dem Militär ein entscheidender Machtfaktor der Regierung zur Verfügung. Der Pakt ermöglichte es der Sozialdemokratie in den folgenden Wochen, ihren Machtanspruch auch in den bürgerkriegsähnlichen Kampfhandlungen durchzusetzen.

Der Durchsetzung der von der Sozialdemokratie angestrebten parlamentarischen Demokratie standen damit kaum noch Hindernisse im Weg, zumal die SPD auf dem Reichskongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Mitte Dezember 1918 über deutliche Mehrheitsverhältnisse verfügte. Die Delegierten traten mit überwältigender Mehrheit für die Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 ein. Der Wunsch zahlreicher Delegierten, am Rätesystem als Grundlage der neuen Verfassung festzuhalten, fand auf dem Kongreß ebensowenig Gehör wie die radikale Parole der Spartakisten "Alle Macht den Räten".

Nach dem Kongreß verschärften sich die Auseinandersetzungen zwischen der Sozialdemokratie und den radikalen Kräften, die politische Ziele nunmehr gewaltsam auf der Straße durchzusetzen versuchten. Erstmals mußte Ebert in den Berliner Weihnachtskämpfen 1918 reguläre Truppen um militärische Hilfe bitten, nachdem meuternde Soldaten der "Volksmarinedivision" am 23. Dezember 1918 die Regierung festgesetzt hatten.

Als Reaktion auf das Bündnis von SPD und kaiserlicher Armee verließen die Vertreter der USPD am 28. Dezember 1918 empört den Rat der Volksbeauftragten. Zuvor war es allerdings mit den SPD-Vertretern zu erheblichen Differenzen über den politischen Kurs der Regierung gekommen, der eine gemeinsame konstruktive Politik der beiden sozialdemokratischen Richtungen unmöglich machte. Ersetzt wurden die USPD-Vertreter durch Gustav Noske und Rudolf Wissell von der SPD, in deren Händen nun die alleinige Regierungsgewalt lag. Eine weitere unmittelbare Folge der Weihnachtskämpfe war die Entlassung des zum linken Flügel der USPD gehörenden Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (1863-1925). Mit Bewaffneten war Eichhorn der Volksmarinedivision während der Kampfhandlungen zu Hilfe gekommen und hatte so entscheidend zur Niederlage der Regierungstruppen beigetragen.

Provoziert durch die Absetzung Eichhorns, der letzten Machtbastion der Linken in Berlin, riefen die Revolutionären Obleute, die USPD und die zur Jahreswende 1918/19 gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) für den 5. Januar 1919 zu einer Protestdemonstration auf. Aufgrund der großen Teilnehmerzahl faßten radikale Kräfte der Initiatoren noch am Abend den Beschluß, die Demonstration zu einem bewaffneten Aufstand auszuweiten. Liebknecht und die zuvor jegliche putschistische Aktionen ablehnende Luxemburg riefen zum gewaltsamen Sturz der Regierung auf.

Vom 5. bis 12. Januar besetzten revolutionäre Arbeiter Teile der Innenstadt sowie das Berliner Zeitungsviertel und erklärten die Regierung für abgesetzt. Der spontane und strategisch unzureichend geplante Januaraufstand war der letzte Versuch der extremen Linken, die Wahl zur Nationalversammlung zu verhindern und eine Rätediktatur zu errichten. Die blutigen Kämpfe vom Januar 1919 prägten maßgeblich das Bild der Revolution von 1918/19 und vermittelten in weiten Bevölkerungskreisen die Schreckensszenarien der russischen Oktoberrevolution und des Bolschewismus.

Das Scheitern des Aufstands sowie die Ermordung Luxemburgs und Liebknechts durch Mitglieder eines Freikorps radikalisierte einen erheblichen Teil der Arbeiter. Sie fühlten sich verraten von der Politik der SPD, die ihre Kontakte zur Armeeführung, den bürgerlichen Parteien und zu Wirtschaftsführern stetig intensivierte. Die einstmals so geschlossene Front der Arbeiterschaft war tief gespalten. Bei Landtags- und Gemeindewahlen im Frühjahr 1919 gaben viele ehemalige SPD-Wähler ihre Stimme den Kommunisten oder der USPD, die in zahlreichen Orten die SPD überflügelte. Viele dieser Wähler beteiligten sich auch an Streiks und revolutionären Unruhen, die nach der Wahl zur Nationalversammlung und der Einsetzung des Kabinetts unter Philipp Scheidemann bis zum Frühsommer 1919 weite Teile des Deutschen Reichs erfaßten. Im Ruhrgebiet und im mitteldeutschen Bergbaugebiet um Halle/Saale kam es zu Generalstreiks und blutigen Auseinandersetzungen mit Regierungstruppen.

In Berlin versuchten Spartakisten einen Anfang März 1919 ausgerufenen Generalstreik zum Putsch gegen die Reichsregierung voranzutreiben. Fast 1.200 Menschen verloren bei den mehrere Tage anhaltenden Märzkämpfen ihr Leben. Wie der Aufstand in Berlin konnte auch die von der USPD Anfang April 1919 proklamierte Münchner Räterepublik nur mit Unterstützung massiver und äußerst brutaler Einsätze von Freikorpsformationen niedergeschlagen werden. Die revolutionäre Massenbewegung verlor nach diesen Kämpfen entscheidend an Dynamik. In der Folgezeit rüstete die radikale Linke zwar wiederholt zum Sturz der Weimarer Republik, eine breite Anhängerschaft wie noch im November/Dezember 1918 konnte allerdings zu keinem Zeitpunkt mehr mobilisiert werden.

(ba/as)

[Ton] Philipp Scheidemann: Der 9. November 1918
[Kollektives Gedächtnis] Oskar Münsterberg: Novemberrevolution 1918
[Kollektives Gedächtnis] Oskar Münsterberg: Spartakusaufstand 1919
[Kollektives Gedächtnis] Else Freifrau von Salmuth: Revolutionskämpfe in Berlin-Lichtenberg März 1919
[Kollektives Gedächtnis] Henning Wenzel: Revolution und Wahl 1918/19

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