Weimarer Republik (1918-1932/33)

 

 

I. Die Folgen des 1. Weltkriegs

   Friedensvertrag von Versailles

 

I. Die Folgen des 1. Weltkriegs: Friedensvertrag von Versailles

 

Der 1. Weltkrieg, der sich von 1914 bis 1918 über vier Jahre erstreckte und mit dem Frieden von Compiègne (11.Nov. 1918) endete, führte in Mittel- und Südost-Europa zu völlig veränderten politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen. Während Großbritanien und Frankreich mehr oder weniger unverändert aus dem 1. Weltkrieg hervorgehen, kommt es besonders in Deutschland und Österreich, die den Krieg verloren, zu radikalen Transformationen. Im internationalen Kontext entstehen zwei neue Weltmächte: im Westen die USA, dessen Eingriff im Krieg auf Seiten der Alliierten im Jahre 1917 eindeutig den Krieg entschied, und im Osten die aus der russisch-bolchewistischen Revolution entstandene Sowjetunion.

Sowohl die USA als auch die Sowjetunion werden auf die unmittelbare Entwicklung Deutschlands nach dem Krieg einen entscheidenden Einfluß haben. Wie so oft in der historischen Entwicklung Deutschlands zu beobachten ist, wird auch in dieser Phase das Ausland zum auslösenden Faktor, zum Impuls für innerdeutsche politische und gesellschaftliche Transformationen.

Der Sieg der westlichen Demokratien und des inzwischen sozialistischen/kommunistischen Rußland führt in Deutschland und Österreich zum Bruch mit der Monarchie, d.h. zur Auflösung des „Deutschen Reichs“ und des österreichisch-ungarischen Königreichs und der Gründung von Republiken im Sinne eines demokratischen Systems mit parlamentarischer Verfassung. Dieser Übergang verlief jedoch nicht problemlos. Die ersten deutschen und österreichischen Republiken waren nicht von allzu langer Dauer. Im Falle Deutschlands überlebte sie kaum zwölf Jahre, und auch in Österreich kann ab 1933 wohl kaum noch die Rede von einer Demokratie sein.  Zu einem zweiten Anlauf, einem zweiten - glücklicherweise erfolgreicheren - Versuch zur Konsolidierung demokratischer Systeme in diesen beiden Ländern wird es erst nach dem zweiten Weltkrieg  kommen.

 

Schon der erste Tag der ersten deutschen Republik verläuft stürmig und verweist fast schon paradigmatisch auf die ersten stürmigen Jahre der "jungen Demokratie": am 9. November, also zwei Tage vor dem offiziellen Ende des Krieges, wird  die Republik gleich von zwei verschiedenen Personen ausgerufen. Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann ruft die Deutsche Republik aus; wenig später proklamiert der Kommunist Karl Liebknecht die freie sozialistische Republik aus. Damit beginnt die Auseinandersetzung über die Gestalt der neuen Republik, die es in den ersten zwei bis drei Jahren in Deutschland zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, den (Straßen)Kämpfen zwischen Links- und Rechtsradikalen kommen lassen.

 

Der Friedensvertrag von Versailles

Aber bevor wir uns mit den eigentlichen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen befassen, sollten zunächst vorallem die unmittelbaren Folgen des Kriegs für Deutschland analysiert werden. Die Entstehung und Entwicklung der kurzen Weimarer Republik, besonders ihr endgültiges Scheitern, sind ohne eine kurze Zusammenfassung des Inhaltes des Friedensvertrages von Versailles nicht ohne weiteres zu verstehen.

Der verlorene Krieg und der von den alliierten Siegesmächten ausgearbeitete Friedensvertrag von Versailles bedeutet insgesamt gesehen für Deutschland und Österreich einen starken Einschnitt. Zwar sind die Folgen auf politischer Ebene global als positiv einzuschätzen - denn die Monarchien wurden abgeschafft und Demokratien eingeführt, auf wirtschaftlicher Ebene aber, die wie wir wissen immer sehr eng mit der Politik verbunden oder gar untrennbar verschweißt ist, bedeutete der verlorene Krieg und die daraus folgenden Forderungen der Sieger an Deutschland und Österreich einen starken Rückschlag, der zwölf Jahre später von den Faschisten propagandsitisch genutzt wird und sie schließlich an die Macht führen wird.

 

Zusammenfassend besteht der

Versailler Friedensvertag

aus folgenden Punkten:

 

1) Was territoriale Fragen angeht, so werden Deutschland und vorallem Österreich wesentlich verkleinert.

Deutschland muß im Westen den im deutsch-französischen Krieg von 1870 eroberten Elsaß an Frankreich abgeben; auch das wirtschaftlich so wichtige Saarland wird Frankreich als Ersatz für die Kriegsschäden angegliedert; außerdem sollten die linksrheinischen Gebiete entmilitarisiert werden; im Norden geht das Gebiet Eupen-Malmédy an Belgien; im Osten entsteht der sogenannte "polnische Korridor", d.h. Preußen wird in zwei Teile geteilt, das dazwischen liegende Gebiet geht an Polen und ein Teil Ost-Preußens an Litauen und Danzig wird freie Stadt. Die territoriale Einheit Deutschlands wird insgesamt gesehen jedoch beigehalten, lediglich an den Rändern wird sie "beschnitten".

Österreichs territorialer Verlust ist wesentlich größer. Lediglich das Urgebiet der Habsburger, d.h. sozusagen der germanische Teil, bleibt als Österreichische Republik bestehen. Auf den Ruinen des untergehenden Vielvölkerstaats Österreich entsteht ein „Frühling“ autonomer Nationen: Ungarn wird zum souveränen Staat, ebensfalls die Tschechoslowakei (die ihrerseits inzwischen zu zwei Staaten geworden ist); es entsteht (das heute wieder zerstückelte) Jugoslawien und die Provinz Südtirol wird Italien angegliedert. Der Friedensvertrag von St. Germain zwischen den alliierten Siegermächten und dem Kriegsverlierer Österreich bedeutet das Ende der berüchtigten "KuK-Monarchie": der Zusammenbruch „Kakaniens“, wie Robert Musil diesen Viel-Völker-Staat nannte.

 

 

2) Was militärische Fragen betrifft, so wird das unter Wilhelm II. zur  militärischen Macht gewordene Deutschland gezwungen, zur Abrüstung und einem auf 100.000 Berufssoldaten beschränkten Heer gezwungen. Aus diesem elitären Berufsheer, das von Natur aus politisch reaktionär ist und sich mit der jungen Demokratie nicht identifizieren wird, wird später das Werkzeug Hitlers bei seiner Machtübernahme werden.

 

3) Auf wirtschaftlicher Ebene wird Deutschland eine sehr schwere Schuld aufgetragen. Es werden sogenannte Reparationen gefordert, die Deutschland  nicht in der Lage war zu zahlen. Wenn man in Betracht zieht, wieviel  Deutschland für Rüstung, für den Krieg investiert hatte und wiesehr die Wirtschaft durch den modernen, höchst zerstörerischen Krieg in eine beinah katastrophale Lage geraten war, so waren die geforderten Reparationssummen, selbst wenn Deutschland zu einer Zahlung bereit gewesen wäre, einfach utopisch. Hinzu kam, daß wichtige Wirtschaftsgebiete wie das Saarland verlorengegangen waren. Wären diese Forderungen eingehalten worden, so müßte Deutschland noch heute Reparationen zahlen. Während der Weimarer Republik wurden jedoch mit den alliierten Siegermächten verschiedene Verträge in bezug auf die Reparationszahlungen geschlossen. Vor allem dank der geschickten Aussenpolitik Stresemanns („Aussöhnungspolitik“) konnten die in Versailles festgelegten Reparationssummen schrittweise gesenkt werden. Die Konferenz von Lausanne (1932) bedeutete schliesslich das Ende der deutschen Reparationszahlungen.

 

4) „Nationalpsychologisch“ gesehen, wurden Deutschland und Österreich gezwungen, die gesamte Kriegsschuld anzuerkennen. Dies bedeutete, daß viele Deutsche und Österreicher, besonders die konservativen, patriotischen Bevölkerungsschichten, sich in ihrem Nationalgefühl erniedrigt fühlten und im Versailler Friedensvertrag lediglich die Rache des Erzfeindes Frankreich sehen wollten. Die rechtsradikalen Kräfte, besonders durch die Propaganda der 1920 geründeten National-Sozialistischen-Arbeiterpartei, erkennt diese Mißstimmung.

Indem sie fortwährend vom "Versailler Diktat" und der deutschen Revange spricht, zieht sie immer mehr Wahlstimmen an, bis sie schließlich  die große Wirtschaftskrise Ende der 20ger Anfang der 30er Jahre ausnutzend die Mehrheit bei den Wahlen des Jahres 1932 erreicht und somit zur Regierung berufen wird.

 

© Mário Matos 1996

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